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Kultur in der Elisabethkirche

28. Jun 2022

Kultur in der Elisabethkirche
Kultur in der Elisabethkirche

Ein Interview mit Markus Leitschuh, er arbeitet als Religionslehrer und ist als Mitglied im Pfarrgemeinderat von Sankt Elisabeth Projektleiter für „Kultur in der Elisabethkirche“.

Kultur und Kirche – was entsteht dabei aus Ihrer Sicht Neues?

Kultur und Kirche, das ist gar nicht neu, nur in Vergessenheit geraten. „Kult oder Kultus kommt von lateinischen cultus [deorum], sprich „Götterverehrung“ und colere „anbauen, pflegen“ und umfasst die Gesamtheit religiöser Handlungen.“ So erklärt es wikipedia. Kultur und Kirche gehörten immer eng zusammen. Unsere Art Gottesdienst zu feiern, Bildersprache, Gesang, Inszenierung und Texte sind aus der Kultur entstanden und sind Teil der Kultur. Über Jahrhunderte hat die Kirche Kulturschaffende mit dem Bau von Kirchen, dem Komponieren von Musik oder dem Schreiben von Lyrik beauftragt. Noch heute sind es Kulturschaffende, die eine Kirche ausstatten. Es entsteht also zunächst einmal in der Zusammenarbeit von Kultur und Kirche nichts Neues, im Sinne von „ungewöhnlich“. Wir haben es teilweise verlernt, dass diese Beziehung normal ist. Gewänder von Priestern sind keine Erfindung Jesu, sie sind Teil der Modeentwicklung. Auffallend ist, dass sich kirchliche Ästhetik erst in den letzten Jahrzehnten längst nicht so weiterentwickelt hat, wie dies früher üblich war. Es entsteht Gutes, wenn uns Kulturschaffende mit den Möglichkeiten dieser Zeit einen Kirchenraum neu erfahren lassen. Interessant ist, dass die Künstlerin der aktuellen Ausstelllung „Poem of Pearls“ - Birthe Blauth - mit der Tochter des Architekten der Elisabethkirche befreundet ist. Die Tochter erzählt, dass sich ihr Vater immer eine sehr auf das Wesentliche der Architektur konzentrierte Elisabethkirche gewünscht hat. Genau das erreicht die Künstlerin. Ohne Bänke, Stühle, Blumenvasen und Schriftenstand wirkt der Altar besser als vorher. Die ganze Kirche wirkt aufgeräumter, konzentrierter und würdevoller, ja heiliger und näher am Menschen.


Warum würden Sie das als Innovation bezeichnen?

Es brauchte es erst eine Künstlerin, damit wir endlich anfangen, uns als Gemeinde konsequent mit dem Kirchenraum zu beschäftigen. Wenn wir ehrlich sind, hatten sich da von Plastikblumen bis zu verblassten Hinweisschildern und einer Menge verschiedenartiger Kerzenstände eine Menge Dinger angesammelt, an die sich die Gemeinde gewöhnt hatte, aber die nicht wie die „gute Stube“ aussahen. Innovativ ist, dass wir uns helfen lassen. Raus aus der Gewohnheit. Hin zur Beratung durch Profis. Innovativ ist, sich auch einmal radikal von zu vielen Kompromissen zu verabschieden und konsequent neue Wege zu gehen. Nicht jede Kirche in Kassel muss ästhetisch gleich sein. Warum nicht eine Kirche ohne Stühle und Bänke? Mit Platz, den eigenen Ort zu finden. Im Sommer zum Hinsetzen auf den Boden. So wie es bis zur Reformation übrigens in den meisten katholischen Kirchen war. Erst als die Predigt länger wurde und damit die Liturgie kamen Bänke hinzu.


Was erleben Sie konkret in Ihrer Kulturkirchenarbeit? Warum macht Ihnen das Hoffnung?

2019 hat die Pfarrei Sankt Elisabeth für ihren Kirchort Elisabethkirche den Preis für die beste kulturelle Innovation im Bistum Fulda erhalten. Wir haben Lust auf Experimente und Kooperationen mit der Kulturszene. Von Tanztheater bis Kabarett, Theater und Konzerte reicht das Angebot. Wir öffnen den Raum der Kirche und wollen gleichzeitig auch religiöse Fragen durch künstlerische Ausdrucksformen ins Gespräch bringen. Weitere Partner waren schon die Kasseler Musiktage oder das Staatstheater Kassel. In der Hochphase der Pandemie haben wir ein Vierteljahr zwei Abende pro Woche die riesige Kirche Kulturschaffenden als Auftrittsort zur Verfügung gestellt, damit sie wirtschaftlich überleben konnten. Kooperation heißt bei uns nicht, dass hier Dinge passieren, die so 1:1 auch in einem Konzertsaal stattfinden würden. Wir sind und bleiben Kirche. Mir macht Hoffnung, dass diese Vielfalt noch stärker möglich ist im Bistum Fulda - besonders in Städten, wo mehrere Kirchen gut erreichbar sind. Verschiedene ästhetische und spirituelle Traditionen dürfen gelebt werden, dafür braucht es dann aber auch spezielle und spezialisierte Orte. Wir haben zum Beispiel acht fest installierte Movingheads für stimmungsvolles Licht, andere Kirchen müssten das bei Konzerten immer teuer ausleihen.


Zur Zeit der documenta gibt es ein spezielles Kunstwerk in der Elisabethkirche – was ist das Besondere daran? Warum sollte ich das erleben?


Strenggenommen ist „Poem of Pearl“ von Birthe Blauth kein klassisches Kunstwerk. Es ist eine Installation, eine Kirchen-Raum-Erfahrung. Besucherinnen und Besucher gehen in keine Ausstellungshalle, sie gehen in eine vollfunktionsfähige Kirche. Das ist uns wichtig. Vor der Kirche laufen die Besucherinnen und Besucher durch ein Labyrinth. Ein Symbol für die Wege unseres Lebens. Das bringen wir bei jedem Kirchenbesuch mit in die Kirche und soll hier noch einmal deutlicher werden. Dann ist man in der Transitzone. Da ist es dunkel, nur Neonlicht. Man zieht die Schuhe aus oder Überzieher drüber. Es soll deutlich werden: Durch diesen heiligen Raum latscht man nicht einfach, es gibt ein bewusstes Eintreten und auch die Botschaft, dass hier etwas Anders ist. In Kirche und Seitenhöfen liegt dann Kunstrasen. Sattes, flauschiges Grün. Erinnerung an das Paradies. Künstlich, weil auch das Paradies kein realer biologischer Ort ist – sonst würde es ja auch mal Winter im Paradies, da scheint es aber immer grün zu sein. In der Mitte eine Schale mit 100.000 echten Perlen. Jeder Kirchenbesucher darf sich eine mitnehmen. Ja, wirklich. Was für ein starkes Symbol. Kirche hat etwas zu verschenken. Ohne Quittung, Kontrolle oder Einlasskontrolle und Spendenkorb. Die Botschaft Gottes und Jesu wird ganz klar: Ich bin da. Man darf mich mitnehmen. Gottes Liebe ist ein Geschenk.

Text: Markus Leitschuh
Bilder: privat


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Kultur in der Elisabethkirche
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Simone Twents

Leiterin der Strategischen Initiative Pastorale Innovation
Fachbereich Pastoral Bildung Kultur



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