27. Okt 2025
Der ‚Kiosk der Kostbarkeiten‘ ist ein Projekt für trauernde Menschen. Seine goldenen Schatzkästchen sollen trösten und ermutigen.
Carla Böhnstedt ist leidenschaftliche Großstadt-Liebhaberin, die vom Lebensgefühl der Hauptstadt nicht genug bekommen kann. Sie ist Pastoralreferentin für Citypastoral in Berlin-Mitte, Mitglied im Sprecher:innen-Team des ökumenischen Netzwerks Citykirchenprojekte und kreative Erfinderin. Ob Eistruck, weihnachtliches Geschenkpapier mit Botschaft, Kieztouren oder besondere Lichtinstallationen – Carlas Erfindungsreichtum ist grenzenlos. Ihr neuestes Projekt ist der ‚Kiosk der Kostbarkeiten‘. Wir freuen uns sehr, dass uns Carla ein Interview zu dieser pastoralen Innovation gegeben hat.
Carla, was ist eigentlich der Kiosk der Kostbarkeiten und wo steht er?
Der Kiosk der Kostbarkeiten ist ein ungewöhnlicher Automat, der seit Ende Januar 2025 auf einem Friedhof in Berlin-Hohenschönhausen steht. Er enthält goldene Schatzkästchen, die trösten und ermutigen wollen. Diese „Goldmomente für die Seele“ reagieren auf unterschiedliche Bedürfnisse Trauernder.
Der Automat kann anonym und selbstbestimmt genutzt werden. Er ergänzt mit seinen besonders gefüllten Boxen das klassische Angebot kirchlicher Trauerarbeit niederschwellig.
Was hat diese Projekt-Idee mit deiner Funktion als Referentin für Citypastoral zu tun?
80% der Bevölkerung in Ostdeutschland gehören keiner Religionsgemeinschaft an; vielmehr herrscht eine große Vielfalt an Lebenseinstellungen. Das fordert die Kirche heraus, damit konstruktiv umzugehen.
Deshalb experimentiert die Citypastoral im Erzbistum Berlin mit neuen Formen von Kirche mitten im Leben der Menschen. Wir fragen uns: was treibt die Menschen um? Was brauchen sie? Mit unseren Angeboten versuchen wir, an unüblichen Orten zu ungewohnten Zeiten da zu sein.
Wie kamt ihr auf eine solche, sagen wir mal, unkonventionelle Idee?
Eigentlich hatten es uns die Spätis angetan, die für Berlin so typisch sind. Deshalb wollten wir ursprünglich an einem Verkehrs-Knotenpunkt der Stadt einen „pastoralen Späti“ eröffnen. Bei unseren Streifzügen durch die Stadt fiel uns dann auf, dass es überall und für alle möglichen Bedarfe Automaten gibt. Und eigentlich ist doch ein Automat die reduzierteste Form eines Spätis, oder?
Wie hat sich die Idee dann weiterentwickelt?
Schnell war klar: Unser Prototyp sollte auf dem Friedhof in Berlin-Hohenschönhausen stehen. Dort bieten Haupt- und Ehrenamtliche schon seit längerem das „Friedhofs(p)lauschen“ an, ein Begegnungs-Format für Trauernde. Diese Zusammenarbeit ist uns wichtig.
Außerdem war für uns in der Projektentwicklung der Austausch mit weiteren Engagierten im Trauerbereich (Hospize, Bestattungsinstitute, …) wertvoll, die uns wichtige Einblicke gaben, um unser Angebot möglichst passgenau für Trauernde zu entwickeln.
Inwiefern wird dieses Angebot wahrgenommen?
Der Kiosk der Kostbarkeiten wurde von Anfang an stark frequentiert. Der Vorrat, den wir für mindestens ein halbes Jahr kalkuliert hatten, war bereits nach drei Wochen aufgebraucht. Vor allem an den Wochenenden und an Tagen mit vielen Beisetzungen wird der Kiosk der Kostbarkeiten besonders intensiv nachgefragt.
Und wir stellen fest, dass Interessierte auch aus ganz anderen Berliner Stadtteilen und sogar aus Brandenburg gezielt zu unserem Kiosk kommen, weil sie durch Mund-zu-Mund-Propaganda oder die Berichterstattung darauf aufmerksam geworden sind.
Was war die schönste Rückmeldung, die du bisher bekommen hast?
Sowohl in persönlichen Begegnungen -beispielsweise, wenn wir den Kiosk auffüllen und dabei von Besuchenden des Friedhofs angesprochen werden- als auch per Mail und telefonisch bekommen wir viele berührende Rückmeldungen. Es ist schön zu spüren, dass wir offenbar mit unserem Angebot „ins Schwarze getroffen haben“. Kürzlich schrieb uns jemand: „Dieser Kiosk ist eine sooo schöne Idee; das hat meiner Seele gerade richtig gutgetan. Ich bin nicht gläubig aber dennoch haben mir die Sprüche und Gedanken Kraft gegeben.“
Ein solch innovatives Projekt stößt bestimmt auch über Berlin hinaus auf reges Interesse – Wie ist hier die derzeitige Situation?
Wir überlegen, wie diese Projekt-Idee auch für weitere Friedhöfe und die Trauerpastoral unseres Bistums fruchtbar werden kann – und in welchen weiteren Lebensbereichen solche besonderen Automaten (mit entsprechend angepasstem Boxeninhalt) aufgestellt werden könnten.
Und es erreichen uns viele Anfragen aus dem ganzen Bundesgebiet und darüber hinaus von Engagierten aus dem Trauerbereich, die Interesse an den Boxen-Sets bzw. der gesamten Projekt-Idee haben. Die allererste externe Anfrage kam direkt am Tag nach der Eröffnung unseres Kiosks aus Großbritannien!
Ein Blick in die Zukunft – Was wäre deine Vision für den „Kiosk der Kostbarkeiten“?
Wir sind gerade dabei, einen Online Shop aufzubauen, um die Boxen(sets) auch unabhängig vom Automaten anbieten zu können und überlegen, wie wir das Gesamtkonzept der Projektidee auch außerhalb unseres Bistums zugänglich machen können. Die vielen Nachfragen zeigen uns, dass diese Projekt-Idee auf einen großen Bedarf in der Trauerarbeit stößt. Ich würde mich freuen, wenn wir Mittel und Wege finden würden, diese Idee auch strategisch in der Fläche verbreiten zu können.
Außerdem würde es mich reizen, weitere „Kioske der Kostbarkeiten“ mit jeweils angepasstem Inhalt auch für andere Lebensbereiche zu konzipieren.
Ihr wollt mehr erfahren? Dann klickt hier.
Hier findet ihr ein Youtube-Video über den „Kiosk der Kostbarkeiten“.
Fotos: Privat, Carla Böhnstedt
Referent für Pastorale Innovation
Abteilung Kirchliches Leben



